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Keine weiteren Vertreibungen im Westjordanland

31. Okt 2023

pax christi fordert ein sofortiges Ende der Vertreibung und Tötungen der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland

„Im Windschatten des menschenverachtenden Massakers der Hamas und des islamischen Dschihad in Israel und der Bombardierung des Gazastreifens haben radikale Siedler und die israelische Armee ihre Aktionen zur Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland verstärkt. Die gewaltsame Landnahme betrifft alle unter israelischer Kontrolle stehenden C-Gebiete, die rund 60% der Landfläche des Westjordanlands ausmachen, und kann als systematisch und geplant bezeichnet werden. Zwischen dem 7. und dem 24.10.2023 wurden nach Angaben palästinensischer Nichtregierungsorganisationen in der Westbank insgesamt 98 Palästinenser von Siedlern oder der Armee erschossen, unter ihnen auch viele Kinder. Weit über 1.000 Menschen sind zum Teil schwer verletzt worden. Die Vertreibung und aggressive Landnahme durch Siedler schafft weiteres Leid und spielt den Gewaltkräften in die Hände,“ beklagt die Sprecherin der pax christi-Nahostkommission Wiltrud Rösch-Metzler.

„Ich bin weiterhin beunruhigt über die Angriffe extremistischer Siedler auf Palästinenser im Westjordanland“, sagte der US-Präsident bei einer Pressekonferenz in Washington: „Das muss jetzt aufhören.“ Derartige Angriffe seien, als würde man Benzin ins Feuer gießen, so Präsident Biden. (Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Biden-besorgt-ueber-Angriffe-extremistischer-Siedler-article24489596.html)

Die pax christi-Nahostkommission fordert die Bundesregierung auf, allein und im Verbund mit anderen EU-Staaten, der Israelischen Regierung bei der völkerrechtswidrigen Vertreibung der ländlichen Bevölkerung im Westjordanland Einhalt zu gebieten. Die in den letzten Wochen und Monaten entstandenen sogenannten „Außenposten“ der Siedler müssen geräumt, die vertriebenen Bauern und ihre Familien entschädigt werden. Die israelische Regierung hat als Besatzungsmacht gemäß der IV. Genfer Konvention sicher zu stellen, dass die Ackerbauern und Viehhalter wieder auf ihre Felder, Weiden und Olivenhaine zurückkehren können. Jeglicher Siedlungsbau ist sofort zu stoppen. Rechtsbrüche und Verbrechen an der palästinensischen Bevölkerung sind zu ahnden. Die Rechtlosigkeit der Menschen muss sofort ein Ende nehmen.

Beispiele für Zerstörungen und Vertreibungen - Hintergrundinformationen

Bereits seit Mai 2023 wurden die Bewohner folgender Dörfer vertrieben: Ein Samia, Ras a-Tin, Al-Baqàh, Al-Qabun (alle nördliche Westbank), Wedadie a-Tahta (South Hebron Hills). Zum Teil handelt es sich um Beduinen-Gemeinschaften die bereits in den frühen 50er Jahren aus dem Negev vertrieben worden waren.

Seit dem 7.10.2023 erleben Ortschaften wie die Gemeinde Susija südlich von Yatta eine Totalabriegelung. Die Wasserversorgungssysteme wurden von den Siedlern zerstört, Ziegen und Schafe können nicht mehr auf die Weiden geführt werden, das Vieh verhungert und verdurstet, die Hofstellen des Dorfes wurden geplündert, die Einrichtungen zertrümmert. Die Olivenernte kann nicht eingebracht werden. Am 27.10.2023 haben die Siedler den verbliebenen Bauernfamilien der Raumschaft Susija ein Ultimatum von 24 Stunden gestellt, ihre Höfe und ihr Land zu verlassen, sonst werden sie unter physischem Zwang vertrieben. In der gesamten Region drangsalieren Siedler mit Waffengewalt und mit Militärunterstützung die Bevölkerung. In Ar Ratheen an der Grenze zum Negev haben die Bauern unter der massiven Bedrohung und gewaltsamen Übergriffen durch Siedler ihre Höfe mittlerweile aufgegeben. Die Hofstellen wurden von den israelischen Siedlern zerstört. Weitere Bauernhöfe in Khirbet Simri, wo die Vertreibung bereits 2022 begonnen hat, wurden ebenfalls zerstört, die Bauernfamilien vertrieben.

In Tuba, am Rande der Raumschaft Masafer Yatta gelegen, haben Siedler und Armee das Dorf umstellt. Siedler sind gewalttätig ins Dorf eingedrungen und haben das Wasserversorgungssystem zerstört. Wie in Susija können die Viehherden nicht mehr getränkt und nicht mehr auf die Weide geführt werden. Die Beduinen in Um al Khair, ebenfalls am Rande von Masafer Yatta, haben ihr gesamtes Weideland an Siedler verloren, die Wasserversorgung ist zerstört, das Dorf abgeriegelt.

Die Siedlerüberfälle auf Dörfer und Bauernhöfe erfolgen Tag und Nacht und bekommen permanenten Charakter, die Familien werden schwer traumatisiert. Stellen sich Bauern den Siedlern in den Weg, werden diese krankenhausreif geprügelt, wie jüngst in Shib-al Butum und Susija oder die Siedler machen wie in At Tuwani von der Schusswaffe Gebrauch. Durch die Abriegelungen und Übergriffe auch innerhalb der Dörfer ist seit dem 7.10. für die palästinensischen Kinder ein Schulbesuch nicht mehr möglich. Die 12 Schulen in der Region, die alle über EU-Mittel oder Mittel der EU-Mitgliedsländer finanziert wurden, haben Abrissverfügungen der Militärverwaltung. 

Die Moschee von Djimba in den South Hebron Hills wurde am 27.10.2023 zerstört, was die tiefgläubige Bevölkerung mit Fassungslosigkeit aufnimmt.

Nach der IV. Genfer Konvention ist es der Besatzungsmacht verboten, Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet umzusiedeln (IV,49). Die Besatzungsmacht hat eine besondere Verantwortung zum Schutz der lokalen Zivilbevölkerung (IV 27,53,55,56). Israel verstößt hier eindeutig gegen das Humanitäre Völkerrecht.